Die Flora, die Pflanzenwelt, ändert sich bei uns. Das war schon immer so und geschieht weiterhin. Doch dass manche Pflanzen uns deutliche Hinweise auf Erwärmung geben, indem sie sich deutlich ausbreiten oder erstmals einfinden (und dann ausbreiten), das beobachtet man in dieser Deutlichkeit seit Beginn der Aufzeichnungen zur Flora (im Münsterland kann man den Startpunkt dazu mit dem Erscheinen des ersten münsterländischen Florenverzeichnisses 1824, verfasst von Clemens von Bönninghausen, finden) erstmalig.
Der Klimawandel fördert also derartige Pflanzen, die oft als Wärmezeiger bezeichnet werden, allermeist zeigen sie auch Trockenheit an. Diejenigen, die sich ausbreiten, nenne ich Erwärmungszeiger. Aber es treten auch andere Effekte auf, die man in einen Zusammenhang mit dem Klimawandel stellen kann. Indirekt können sich Erwärmungszeiger - zumindest theoretisch - so ausbreiten, dass sie in Konkurrenz zu anderen Pflanzen treten und diese verdrängen. Zugleich existieren Arten, die direkt von der Erwärmung betroffen sein können und zurückgehen - da viele solcher Arten Moorbewohner sind, können sie aber auch wegen der Austrocknung ihrer Wuchsorte zurückgehen oder gar verschwinden. Es wird damit deutlich, dass der Klimawandel Einfluss auf den Artenschutz und die Förderung der Artenvielfalt bzw. Sippen-Biodiversität hat. Beides muss im Zusammenhang gesehen werden.
Bezüglich der Möglichkeiten einer Umsteuerung des Klimawandels wird unter Fachleuten kontrovers diskutiert. Ansatzpunkte einer lokalen Kommune wie der Stadt Werne für einen durchgreifenden Klimaschutz sind machbar (als Bausteine von Energie- und Verkehrswende, Vermeidungsstrategien z.B. bei gunstklimaschädlichen Materialien u.a.), jedoch von geringerer bis mittlerer Reichweite - eben als Bausteine. Durchgreifender können allerdings Maßnahmen zur Klimaanpassung sein. Und dabei spielt die Flora eine bedeutende Rolle.
In mittlerweile zahlreichen Studien wurde der Einfluss von „Grün“, sprich Pflanzen im Hinblick auf ihren Wuchs bzw. ihre Masse (Pflanzen-Biomasse), aber auch den Wert konkreter Arten (meist im Hinblick auf ihren Wuchs bzw. ihre Masse), auf und für Klimaanpassung untersucht. Kontroversen ergeben sich zwar im Hinblick auf Schadstoff-„Abfang“-Möglichkeiten, jedoch Antworten auf die zentrale Frage der Klimaanpassung, die letztlich auf eine Abmilderung von Hitze und Trockenheit (durch Abschattung sowie die Erhöhung von Verdunstung und damit Kühlung) abzielen, werden in allen Studien grundsätzlich in Richtung „Mehr Grün“ in die Städte und Siedlungen gegeben.
Dass dabei Bäume die vorrangige Rolle spielen, liegt auf der Hand - schon aufgrund ihrer Abschirmwirkung. Dass als Schotterwüsten angelegte Gärten mit ihren weit überwiegend bewuchsfreien Bereichen entsprechend kontraproduktiv wirken, kann auch nur logisch erscheinen. Grundsätzlich lassen sich folgende Wirkungsketten für Klimaanpassung mit Pflanzen aufstellen:
Wenn man hierbei zum Pflanzen-Arten-/Sippenschutz zurückkehrt, dann ist freilich auch ein häufig gemähter Scherrasen besser als eine Schotterwüste. Nur wenn man eine höhere Artenvielfalt, auch hinsichtlich blütenbesuchender Insekten, erzielen möchte, ist es zwingend, die Häufigkeiten der Mahd herabzusetzen. Gleichzeitig ist der etwas höhere Wuchs günstiger für eine Hitze-Abmilderung.
Übrigens ist auch die Entfernung von Wildwuchs („Unkraut“-Bekämpfung) grundsätzlich nicht förderlich, wenn es um Klimaanpassung geht. Da hier Artenschutz direkt betroffen ist, tut es dringend Not, dass man erkennt, das ein Garten, eine Mauer, eine Grundstückseinfahrt, ein Gehsteigrand kein Wohnzimmer ist, das man aufräumt. Wer so erzogen wurde, muss hier umlernen. Wildwuchs ist kein Schmuddel und kein Müll – ganz egal, was Nachbarn sagen!
In dieser Reihe sollen die angesprochenen Aspekte (und mehr) vertieft werden, stets kombiniert mit konkreten Beispielen und Porträts von Pflanzen, die hier eine Rolle spielen - und ganz besonders werden hierzu die Verhältnisse in Werne in den Fokus gerückt.
Zum Autor:
Forschung, Lehre und Anwendung... In allen drei Feldern bewegt sich Götz Heinrich Loos, der sich seit über 40 Jahren mit der Pflanzen- und Tierwelt beschäftigt, vor allem im Kreis Unna und generell vornehmlich in Nordrhein-Westfalen. Deshalb wird er auch „Heimatbiologe“ genannt (Hermann Strahl). Nach Studium und Dienst an der Uni Bochum arbeitete er an der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet, dann wieder in Bochum, wo er promoviert wurde, später an der Uni Dortmund. Heute ist er Lehrkraft für den zweiten Bildungsweg an den VHS Lünen, Schwerte und Kamen-Bönen. Freiberuflich ist er als Gutachter und Berater in naturkundlichen, ökologischen und sozialen Feldern tätig, auch in Projekten zur Klimaanpassung, außerdem betätigt er sich als Kulturrezensent, vorwiegend in Sachen klassische Musik. Ehrenamtlich ist er u.a. Sprecher des Landesfachausschuss Botanik im Landesverband NRW des Naturschutzbundes Deutschland sowie Vorstandsvorsitzender der Biologischen Station Östliches Ruhrgebiet.